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Veranstaltungen

11.09.2017

Vortrag

Hendrik Folkerts
Der Partitur nach. Notation, Verkörperung und liveness

Ausgehend von dem bahnbrechenden Werk Giuseppe Chiaris wird Hendrik Folkerts über den Begriff der Partitur sprechen. Die Partitur als musikalisches aber auch visuelles System setzt ein bestimmtes Verhältnis zwischen Sprache, Zeit und Raum voraus, derart, dass sie alle drei plant und gestaltet. Durch die Arbeiten von Komponisten wie Giuseppe Chiari, John Cage, Cornelius Cardew, Pauline Oliveros und Jani Christou änderten sich radikal die Art und die Sprache, in der musikalische Partituren den Raum und die Zeit der Komposition entwerfen, während Künstler wie Katalin Ladik, Geta Bratescu und Yoko Ono die Partitur als einen wesentlich körperlichen Mechanismus einführten. Folkerts wird Beispiele dieser musikalischen und künstlerischen Praktiken des 20. Jahrhunderts diskutieren und wie sie die linguistischen, räumlichen und zeitlichen Koordinaten geändert haben, mit denen eine Partitur funktioniert.

"Zur Annäherung an eine Definition: Die Partitur [score] ist ein Notationsapparat, der das Material einer Disziplin – Musik, Tanz und Performance, aber auch Architektur, Linguistik, Mathematik und Physik – und ihre Wissenssystematik mit einer Sprache verbindet, die eine Beschreibung, Übertragung und Bezeichnung produziert, um in jeder gewünschten Form gelesen, aufgeführt oder ausgeführt werden zu können. Im letzten Jahrzehnt konnte man innerhalb der zeitgenössischen Kunst und Performance ein wachsendes Interesse an diesem Thema der Partitur beobachten. Wie erzeugt sie Bedeutung? Worin besteht das Verhältnis zwischen einer Partitur in der Musik und den Formen der Notation, die für die bildende Kunst kennzeichnend sind? Wofür steht eine Partitur? Auf welche Weise vermag sie den lebendigen Augenblick zur Aufführung zu bringen? Und ist es möglich, die Chronologie, in die ein solches Verhältnis traditionell eingebettet ist und der zufolge die Partitur dem Live-Moment vorausgeht, umzukehren?“

Mit diesen Sätzen führt Hendrik Folkerts seinen gleichnamigen Text in der 7. Ausgabe des Magazins South as a State of Mind ein, das die documenta 14 begleitet.

Hendrik Folkerts, gerade zum neuen Dittmer Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst am Art Institute of Chicago ernannt, war von 2014 – 2017 Kurator der documenta 14 (Athen, 8. April – 16. Juli / Kassel, 10. Juni – 17. September 2017). Mit einem Fokus auf Performance und Konzept Kunst, indigenen Praktiken und südostasiatischer Kunst kuratierte er in Kassel und Athen eine große Anzahl von neuen künstlerischen Auftragsarbeiten und war zusammen mit dem künstlerischen Leiter Adam Szymczyk verantwortlich für die Ausstellungen in Athen und Kassel. Zuvor war Folkerts Kurator für Performance, Film und diskursive Programme am Stedelijk Museum in Amsterdam (2010 bis 2015). Er studierte Kunstgeschichte an der Universität von Amsterdam und spezialisierte sich auf zeitgenössische Kunst und Theorie, feministische Praktiken und Performances. Von 2009 – 2011 war Folkerts Koordinator des Kuratorenprogramms am Appel Arts Centre in Amsterdam. Er publizierte Texte in Zeitschriften und Magazinen wie Artforum International, South as a State of Mind, Mousse Magazine, The Exhibitionist, Metropolis M, Art & the Public Sphere und verschiedenen Katalogen. Folkerts ist Mitherausgeber von The Shadowfiles #3: Curatorial Education (2013), Facing Forward: Art & Theory from a Future Perspective (2014) und der Zeitschrift Stedelijk Studies #3: The Place of Performance (2015).

Wir freuen uns sehr, dass Hendrik Folkerts vor den offenen Partituren Giuseppe Chiaris (All Music is the same - Werke aus der Sammlung Block, bis 20. Oktober) seine Überlegungen zur Partitur als Denkraum, zum Verhältnis von Sehen und Hören, Lesarten und Macharten, Partitur und Performance/Körper sowie deren Zeitlichkeiten vortragen wird.

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