Interviews
2015
Renato Ranaldi
Clinamen – Eine Übung in Abweichung
Ich habe Alexander Bloks Gedicht Einsam nahe ich mich dir adoptiert und hinter jeden Vers fettgedruckt Abschnitte von Bildunterschriften gesetzt, mit denen bestimmte meiner Zeichnungen versehen sind. Die Zwangsvereinigung dieser Poetiken ruft Befremdung hervor, weil sie wechselseitig ihren Sinn irreführen, ein Attentat auf den rhythmischen Fluss, ein Schaukeln von Intentionen, ein Ausschuss von Kriterien. Als würde der Dichter beim Niederschreiben des Verses auf einmal einen anderen Modus, einen parodistischen Tonfall bevorzugen, um dann am Anfang des nächsten Verses wieder die ursprüngliche Richtung einzuschlagen.
Einsam nahe ich mich dir aber der Depp mit den gelben Schuhen der Saxophon spielt gibt nicht den Oberton
Von den Feuern der Liebe verführt denke ich daran wie viele Kippen ich in einem Monat rauche
Du verzauberst – Ruf' nicht nach mir – heute Nacht liebe Xanthippe komme ich nicht nach Hause ich geh' ins Paradies
Längst weiß ich selbst wie man Zauber geriert bei der falschen Aussicht auf florentinische Küsse
Vor der schweren Last der Zeit die in der Gehenna des Klos mit einer kurzen schweren Kolik explodierend versinkt
Hat mich allein nur die Mantik bewahrt die dich zu einem aufgeblasenen Wicht machte
Nach dir frag ich die Karten erneut Schamane und suche am Himmel die Konstellation deiner Rückkehr
Doch wird der Nebel der Antwort nicht klar denn mittlerweile kleiner und runzlig geworden wachse ich nicht mehr
Alle die Tage mit Rätseln erfüllt sag doch ich hab' nichts damit zu tun ich war nicht dabei
Wieg' ich die Jahre – ruf' nicht nach mir … will ich dich doch wie eine Rose zur Nase führen
Bald schon das Feuer verlöschen wird dann trage ich Trauerkleidung aus feierlicher Verlegenheit
Vom Zauber der dunkelsten Liebe verführt Achtung Bruder sage ich dir wie die Hochkultur sich mit einem Lied verlobt
(Alexander Blok, 1901, Renato Ranaldi, 2014)
Renato Ranaldi ist Künstler und lebt in Florenz.