Mittelmeer-Dialoge
2012
Enkelejd Zonja
Surreale Historienbilder
Der albanische Maler Enkelejd Zonja (Gastkünstler in der Villa Romana 2012) im Gespräch mit Angelika Stepken.
Du arbeitest an ziemlich großformatigen, figurativen Gemälden, die surreale Szenen zeigen und mit Geschichte bzw. Geschichten aufgeladen sind. Die jüngsten Bilder hast Du aus dunklem Grund herausgearbeitet, Menschen, Puppen, Häute halten sich in einem seltsamen, öffentlich- privatem Raum auf. Welche Beziehung besteht zwischen dieser gemalten und der internen /externen Welt, in der du lebst?
Tatsächlich war meine Absicht, bei den aktuellen Gemälden mit anderen Farbtönen zu spielen. Anfangs hatte ich vor, sie monochrom zu halten, fand das aber während des Prozesses ein bisschen langweilig. Daher dachte ich, ich sollte etwas Farbe hineinbringen. Es war ein Bedürfnis, etwas zu machen, das anders ist als meine bisherigen Arbeiten. Die Farbe zu ändern, jedoch eine inhaltliche Nähe zu den letzten Gemälden beizubehalten und dazu, wie ich Dinge um mich herum sehe.
Meine neuen Arbeiten sind etwas unkontrollierte Kompositionen, derart, dass ich keine spezifische Geschichte erzählen, sondern nur einen sehr komplexen Moment herstellen will, der es vermag, eine Erzählstruktur und deren Logik zu ändern bzw. zu brechen.
Es gefällt mir, mich mit einer Erfindung zu überraschen, die ich niemals zuvor im wirklichen Leben gesehen habe. Ich versuche etwas zu erfinden, indem ich verschiedene Geschichten als Inspiration nutze: aus der Geschichte oder Kindheit, aus Büchern, Medien und dem Internet bis hin zum alltäglichen Leben.
All diese Bilder, die mich fesseln und in meinem Kopf zurückbleiben, kreieren eine Art Chaos. Intuition spielt dann eine wichtige Rolle, um Bilder und Zustände auszuwählen und eine neues Chaos auf der Leinwand zu schaffen.
Auf die eine oder andere Weise wird somit das Interne extern und das Externe intern, aber in einer Form, die es in der Realität nicht gibt und die auch nicht entschlüsselt oder verstanden werden muss.
Ich möchte einfach einen Zustand schaffen voller dunkler Geheimnisse, Parodie, Metaphern und Gewalt. Diese Bilder erscheinen mir wie Albträume, die von der Welt und der Zeit, in der ich lebe, provoziert werden.
Du hast an der Kunsthochschule in Tirana studiert, die in den 60er Jahren als Schule für den sozialistischen Realismus gegründet wurde. Gibt es eine Tradition von Malerei, auf die Du Dich beziehst? Gibt es eine Neubewertung von Malerei in Albanien seit den 90er Jahren? Hast du Maleridole, Ideale? Wen? Welche?
Ja, beinahe 40 Jahre lang hat sich Bildende Kunst in Albanien auf Malerei im Stil des sozialistischen Realismus fokussiert und wurde als Propagandamittel für die kommunistische Ära genutzt. In den 90ern dann, als sich das politische System änderte, war das eine sehr verwirrende Periode in der Kunst. Nach langer Zeit der Isolation, waren die Künstler hungrig nach Wissen über die verpasste Phase der modernen Kunst und bemüht, in kürzester Zeit aufzuholen. Das verursachte viele falsche Interpretationen des Begriffs zeitgenössisch in allen Bereichen der Kunst. Ich würde sagen, dass mich keinerlei Malerei-Tradition in Albanien inspiriert hat und ich meine Arbeit keiner albanischen Tradition zuordnen kann.
Eigentlich weiß ich nicht mal, was ich Tradition nennen könnte, da wir gar keine lange Geschichte der bildenden Kunst haben.
Ich denke nicht, dass sich zur Zeit etwas ändert in Hinblick auf neue Bewertungen. Ich suche danach, kann jedoch nichts finden. Nicht nur in der Bildenden Kunst, inkl. Malerei als Medium, generell in allen Kunstformen gibt es keine Neubewertungen. Niemand hier interessiert sich für Kunst. Entschuldige diese Direktheit, aber das ist die Wahrheit.
Als ich vor sieben Jahren beschloss, Kunst zu studieren, hatte ich keine Ahnung von Kunstgeschichte. Zehn Jahre lang war ich ein professioneller Fußballspieler der neugierig war auf Kunst. Ich habe immer gespürt, dass ich etwas Anderes in mir hatte, das ich ausdrücken wollte. So kam es, dass ich meine Fußballkarriere und alles andere hinter mir ließ um herauszufinden, dass meine Leidenschaft das Malen war. Auf gewisse Weise kann ich sagen: ich bin ein Autodidakt.
Ich kann nicht behaupten, ein bestimmtes Vorbild zu haben. Aber es gibt Künstler, auf deren Praktiken ich mich beziehe. Von Anfang an gefiel mir René Magritte, dann Francis Bacon, Jörg Immendorf, Edward Hopper, Paula Rego etc...
Nach Deinem Studium warst Du für eine Weile in Stockholm und nun für zwei Monate in Florenz. Welche Bedeutung hatten diese Auslandsaufenthalte für Dich?
Für einen in Albanien lebenden Künstler ist diese Bewegung und Konfrontation mit anderen Kulturen eine sehr wichtige Erfahrung. Die albanische Kunstszene ist immer noch ziemlich isoliert, ausgeschlossen von der internationalen Kommunikation und vor allem dem zeitgenössischen Kunstsystem. In diesem Kontext bedeutet eine Residenz im Ausland Kommunikation und neues Wissen über Kunst, Kultur und Mentalität.
Andere Künstler zu treffen, Diskussionen zu führen, mit ihnen zu leben, verschiedene Ideen zu teilen, Museen und Galerien zu besuchen... man sieht sich selbst in einer anderen Dimension. Kontakte und sich in einem internationalen Kunstnetzwerk zu befinden, ist wichtig.
Und natürlich ist eine Residenz auch eine Zeit voller Konzentration auf die Arbeit, Reflexion, Recherche und Entwicklung ohne finanzielle Sorgen und alltäglichen Stress.
In Florenz hast Du sehr viel Zeit in Deinem Atelier verbracht. Gleichzeitig hattest Du all die Nachbarkünstler aus Deutschland, Ägypten und andere Gäste aus allen Teilen der Erde in Deiner Nähe. Und Florenz mit seinem immensen Depot an Kunstgeschichte. Wie hast Du Deine Zeit verbracht? Was wirst du mitnehmen aus Florenz?
Tatsächlich ging die Zeit in Florenz sehr schnell um. Die meiste Zeit habe ich im Atelier verbracht. Immer wenn ich das Atelier neben dem Wohnzimmer sah, dachte ich: Was für eine schöne Gelegenheit, den ganzen Tag lang zu arbeiten.
Aber gleichzeitig war ich neugierig, die Stadt zu erkunden und auf die anderen Künstler und Gäste. Ich habe fast alle Museen und historischen Plätze in der Toskana besucht. In den Uffizien und im Palazzo Pitti zu sein und die großen Meisterwerke der Renaissance zu sehen, war ein beeindruckendes Gefühl.
Ich kannte sie aus Büchern, aber tatsächlich vor den Kunstwerken zu stehen und deren Farbe, Komposition, das Licht und den Pinselstrich zu sehen, war unglaublich.
Mit den anderen Künstlern hatte ich einige gute Diskussionen über meine Arbeiten und war ebenso interessiert, deren Werk kennen zu lernen.
So haben wir bei einigen wechselseitigen Atelierbesuchen unsere Gedanken ausgetauscht. Mit anderen Freunden besuchten wir Städte in der Nähe von Florenz. Ich werde die Ausflüge nach Cinque Terre und Pistoia niemals vergessen. Ich bin glücklich, diese Freunde kennen gelernt zu haben und ich werde die unvergessliche Atmosphäre der Toskana in Erinnerung behalten.
Seit 2008 hattest Du verschiedene Ausstellungen in Albanien und im Ausland. Entsteht in Albanien ein Kunstmarkt? Was brauchst Du als in Tirana lebender Künstler, um vorwärts zu kommen?
Ich denke nicht, dass es in Albanien überhaupt einen Kunsthandel gibt. Es gibt ein paar Kunstinstitutionen, ein paar private Galerien, die zeitgenössische Kunst unterstützen, aber keine Kunstsammler. Daher können wir nicht vorgeben, es gäbe wirklich einen Kunstmarkt in Albanien. Der Künstler macht alles alleine, von der Werbung bis zum Verkauf.
Ich denke, man braucht viel positive Energie, um weiterhin Kunst zu machen. Die finanzielle Seite ist auch wichtig. Aber für mich gibt es keine Teilzeitkunst. Ich glaube, es ist wichtig, meine Kunst nicht nur in Albanien auszustellen, sondern auch international, damit ich in aller Weite kommunizieren kann. Ich weiß nicht, wohin das alles führen wird, aber ich mache mir keine Sorgen darüber. Es ist mein persönliches Bedürfnis zu arbeiten und ich werde weitermachen, koste es was es wolle.