Monthly Dispatch
Monatsbrief der VILLA ROMANA – September 2023
Der September kam wie ein Sturm und klopfte plötzlich und unerwartet an die Tür. Der Sommer war zeitlos und heiß, und die Unlust, zu den gewohnten Jahresrhythmen zurückzukehren, war wohl ein geteiltes Gefühl im Haus. Die Preisträger*innen verbrachten die ersten Tage und Wochen des Monats sehr konzentriert in ihren Ateliers und arbeiteten hart an den Arbeiten, die sie für die lang erwarteten Open Studios zeigen wollten. Alle vier mussten jetzt ganze Energie einsetzen und dabei ihren vollen Terminkalender mit Ausstellungen, Workshops und Vorträgen in ganz Europa und darüber hinaus im Auge zu behalten. Ihr großartiges Engagement war beachtlich. Das Gefühl, ein volles Haus mit allen Künstler*innen und ihren kreativen Kräften in Aktion zu erleben, war wirklich etwas Besonderes und neu. Dieses Jahr war ein Jahr der Reflexion und des Übergangs, wobei die letzten Monate als ein Moment der Erdung neue Möglichkeiten aufgezeigt haben, Dinge zu tun und miteinander in Beziehung zu treten. Nun konnte die umfangreiche Arbeit des Teams, die zahlreichen Recherchen und die Arbeit der Künstler*innen, das Engagement der Mitarbeiter der Villa Romana in einer vielschichtigen und ungewöhnlichen Ausstellung zusammengeführt werden, was uns mit Freude und Begeisterung erfüllte.
Nachdem wir die Energien der Open Studios und ihres Programms mit vielen Performances und Veranstaltungen abgebaut hatten, feierten wir am 18. September mit großer Freude eine weitere Eröffnung, die der großartigen Ausstellung Room with A View. Aby Warburg, Florence and the Laboratory of Images, kuratiert von unserem langjährigen Partner, dem Kunsthistorischen Institut in Florenz (KHI), in Zusammenarbeit mit dem Warburg-Institut, in der Galleria degli Uffizi. Eine bedeutende Ausstellung, die nicht nur über das Werk des Kunsthistorikers Aby Warburg in Florenz und sein Erbe reflektiert, sondern auch alte Meister und zeitgenössische Künstler*innen in einen hervorragenden und einzigartigen Dialog bringt, wie unsere ehemalige Gastkünstlerin der Villa Romana 2020, Malgorzata Mirga-Tas, die sich für einen Dialog mit Gentile da Fabriano entschieden hat.
Bis zum 30. September lebte der Künstler Erik Tollas in der Villa. Er war einen Monat lang als ERIAC-Gastkünstler bei uns und setzte damit die Zusammenarbeit zwischen der Villa Romana und dem Europäischen Roma-Institut für Kunst und Kultur fort, die seit 2020 besteht und sich mit gegenseitiger Begeisterung weiterentwickelt. Seine Anwesenheit war sanft und sehr respektvoll gegenüber den Rhythmen und dem Leben in der Villa, diskret aber bedeutungsvoll: Erik nutzte die Gartenbar Tremolino als Atelier. Dort arbeitetete er ununterbrochen, schnitt Holz, experimentierte mit Formen und Farben und ließ sich dabei vom Olivenholz, den Pflanzen und den im Garten lebenden Lebewesen inspirieren. Er schuf drei neue Arbeiten, die in unserer aktuellen Ausstellung zu sehen sind, und ein viertes, das in Zusammenarbeit mit seiner Frau, der Künstlerin Nagy Zsófia Magdolna, entstand, die in den ersten und letzten Tagen seines Aufenthalts mit ihm in der Villa Romana war.
Viele andere Künstler*innen waren in den letzten Wochen bei uns, um an den Vorbereitungen und der Planung unseres Programms für die Open Studios und die neu eröffnete Ausstellung A House is a House is a House (bis 19. November 2023) teilzunehmen. Zara Julius, Künstlerin, Vinyl-Selektorin und Gründerin der panafrikanischen Agentur für kreative Forschung und kulturelles Geschichtenerzählen KONJO, blieb einige Tage in der Villa, auch zur Vorbereitung einer Performance, die wir hoffentlich in naher Zukunft präsentieren werden. Emeka Ogboh verbrachte einige intensive und sehr arbeitsreiche Tage bei uns, um die Produktion der italienischen Ausgabe seines Projekts This Too Shall Pass abzuschließen. Seine Sound-Installation wurde im Rahmen unserer Open Studios auf der Piazzale degli Uffizi präsentiert. Außerdem organisierte er zusammen mit unserem Preisträger Samuel Baah Kortey im Rahmen der Open Studios das gesellige Happening Florence Na So So Enjoyment, mit Essen und Musik im Garten der Villa Romana. Aline Benecke kam für zwei Tage zu uns, um mit uns die Eröffnung von a house is a house is a home zu feiern, in dem ihre Arbeit über das Leben von Fasia Jansen gezeigt wird: zu diesem Anlass öffnete Fide Dayo, Gründer und Direktor der ADCF, sein Studio in der Villa Romana, um ein vielschichtiges Interview mit Aline über Fragen der Solidarität und des feministischen Kampfes aufzunehmen, das Sie sich hier in drei Teilen ansehen können:
https://youtube.com/watch?v=5nM11_5bYrw&feature=shared;
https://youtube.com/watch?v=tVYVbflejds&feature=shared;
https://youtube.com/watch?v=FuWqhM7zfIU&feature=shared.
Ebenfalls sehr gefreut haben wir uns über den Besuch von Stephany Nwobodo, die mit einer wunderbaren Gruppe von Freund*innen zur Eröffnung kam und ihr neu in Auftrag gegebenes Gemälde Genesis offiziell einweihte. Es handelt sich um eine Arbeit, die im Atrium der Villa installieren wurde, um insbesondere den Besucher*innen und den Bewohner*innen des Hauses Inspiration und Schutz zu bieten. Auch Mitglieder des Archiv-Ensembles nahmen an den Open Studios und an der Ausstellung teil: mit großer Unterstützung und schwesterliche Solidarität installierten sie ihre haptische Bibliothek mit einer großartigen und reflektierten Auswahl an Büchern und Autor*innen. Die Titel werden uns in den nächsten Monaten sehr beschäftigen.
Die Künstlerin Ivana Franke kam erst in der Woche nach unserer Eröffnung in Florenz an, als die Energie im Haus langsamer und ruhiger war; wie wir es uns vorgestellt hatten, wächst und verändert sich die Ausstellung im Laufe der Zeit wie ein lebendiger Organismus, und ihr Werk verwandelte sich in ein Experiment, das uns bei der Erzeugung visueller Echos (des Lichts) von der höchsten Terrasse der Villa Romana fokussiert hielt. Bald mehr ☺
Andere ganz besondere Menschen besuchten uns kurz, blieben mit uns im Haus und füllten den Raum mit wunderbarer Energie und Freundlichkeit: darunter die Künstlerin Antje Majewski, die Kuratorin und Kunstkritikerin Övül Durmuşoğlu und der Geschäftsführer der Villa Aurora Jakob Scherer.
Es gibt kein Zuhause ohne Menschen, ohne alle Lebewesen. Den Erfolg der Ausstellungseröffnung und die tolle Atmosphäre der letzten Wochen verdanken wir all denen, die uns geholfen haben und helfen, das Haus zu einem Zuhause zu machen! Noch einmal danken wir den Preisträger*innen für ihre harte Arbeit und ihr Durchhaltevermögen, den Bewohner*innen der Villa Romana für ihre Leidenschaft, ihre Raumgestaltung und ihr Engagement hinter den Kulissen, allen Mitarbeiter*innen für ihren Rückhalt und ihr Einfühlungsvermögen und allen teilnehmenden Künstler*innen für ihre großartige Arbeit und ihre Präsenz!
Besuchen Sie die Ausstellung, die jede Woche von Mittwoch bis Freitag von 14.00 bis 19.00 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet ist.
Anlässlich der Florence Art Week haben wir an diesem Wochenende ein volles Programm für Sie vorbereitet, kommen Sie und seien Sie dabei!
Image credit: Daniela Zambrano Almidón
SAVE THE DATE: OKTOBER!
a house is a house is a home:
Garten- und Archivwochenende anlässlich der Florene Art Week 2023
Wenn wir uns auf die dunkleren Wintermonate zubewegen, laden wir Sie in den Garten der Villa Romana zu einem Erntetreffen ein, bei dem der gemeinschaftliche Anbau gefeiert wird. Kommen Sie zum gemeinsamen Essen, zu Workshops und performativen Präsentationen. Im Mittelpunkt des Wochenendes stehen Arbeiten von Daniela Zambrano Almidón und Leone Contini und ein gemeinschaftlich angelegter Saatgutgarten, sowie alle Pflanzen, die seit dem Frühjahr im Garten wachsen und Erkundungen über die Verwandtschaft zwischen Mensch und Pflanze und die Zugehörigkeit zur Diaspora ermöglichen.
Im Mittelpunkt des Wochenendes steht auch das Archiv mit seinen fortlaufen Inspirationen: Die Kunsthistorikerin Carlotta Castellani wird uns helfen, die verschiedenen Epochen und Zeiten der Villa Romana anhand der hier aufbewahrten fotografischen und schriftlichen Dokumentation zu erkunden.
Samstag, den 7. Oktober 2023 (im Rahmen der Florence Art Week 2023)
10 – 13 Uhr, 15 – 18 Uhr: Führung durch das Archiv mit der Kunsthistorikerin Carlotta Castellani (schreiben Sie an office@villaromana.org für Ihre Reservierung)
13 – 15 Uhr: Seed Bunch – Saatgut-Tauschbörse und Workshop zur Herstellung von Saatgut-Gefäßen
17 Uhr: Präsentation des Orto Continuo und Performance mit Leone Contini
Sonntag, den 8. Oktober 2023 (im Rahmen der Florence Art Week 2023)
13 Uhr: Pachamanca / Cosmic Pot: gemeinschaftliche Food-Performance aus den Anden mit Daniela Zambrano Almidón
PROGRAMMBESCHREIBUNG
Open Archive, Führungen, am Samstag, von 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr
Es werden Fotos und Schriftmaterial aus dem Archiv vorgestellt, um die Geschichte dieses Künstlerhauses seit seiner Gründung im Jahr 1905 (Künstler*innen, Gäste, Leben in der Villa) nachzuvollziehen und gleichzeitig das laufende Digitalisierungsprojekt vorzustellen. Es werden auch die fehlenden Teile des Archivs in den Fokus gerückt, vor allem aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Es handelt sich um bisher wenig erforschte Bereiche, die wieder in den Mittelpunkt rücken, um die Geschichte der Institution und ihres Archivs weiter zu reflektieren.
Seed Bunch-Workshop, am Samstag, von 13 bis 15 Uhr
Seed Bunch ist ein Saatgut-Garten und eine performative Saatgutbibliothek im Garten der Villa Romana. Es ist eine Einstimmung auf pflanzliches Handeln, Freiheit, Verstrickung und Ko-Kultivierung. Begleiten Sie uns zu einer experimentellen Saatguternte, bei der wir die Geschichten erforschen werden, die mit einigen der Samen des Gartens verbunden sind. Wir werden Tongefäße für die Lagerung der Samen über die Wintermonate herstellen und Asche zum Schutz der Samen verwenden. Der Saatgutgarten wurde von Monai de Paula Atunes erdacht und von Leone Contini entwickelt und wächst aus den großzügigen Saatgutspenden von Künstler*innen und Freund*innen. Seed Bunch ist stark von der Arbeit der Künstlerin Zayaan Khan beeinflusst, die sich mit dem Übergang vom Samen als Objekt zum Samen als Beziehung beschäftigt. Offen für alle Altersgruppen.
Orto Continuo - Leone Contini, am Samstag, um 18 Uhr
Orto Continuo schafft einen Raum für das kreative Zusammenleben der Geschichten und Bewegungen von Pflanzen und ihren Besitzer*innen. Als Reaktion auf die Vertreibung chinesischer Wanderbauern von ihren Höfen in Prato bringt Orto Continuo Pflanzen von diesen Höfen zusammen, die gewaltsam aufgegeben wurden oder die ständig in Gefahr sind, beschlagnahmt zu werden, um den demagogischen Kreislauf institutioneller/medialer Gewalt zu enthüllen, der dieser Praxis zugrunde liegt.
Diese Zwangsräumungen finden in dem Gebiet statt, in dem Leone lebt. Orto Continuo trägt somit die Verantwortung, auf die Zerstörung dieser Form der Selbstversorgung zu reagieren und sie sichtbar zu machen, die die lokale Gemeinschaft ernähren kann und daher überlebensfähig ist. Dieser „fortlaufende“ Garten stellt die Frage, wie Behörden und Medien die Anbaupraktiken von Migrant*innengemeinschaften durch Diskurse über invasive Arten verändern. Der Garten ist vor allem eine Reflexion über die Praktiken des Widerstands, die trotz der Vertreibung stattfinden, über Gärten, die zerstört werden, nur um an anderer Stelle wieder aufzutauchen und sich dem Zugriff zu entziehen.
Wir laden Sie ein zu einem gemeinsamen Essen und einem offenen Gespräch im Orto Continuo, bei dem wir über die Behandlung von migrantischen Bauerngemeinschaften und die Bewegungen von Pflanzen reflektieren.
Dieses Projekt ist Teil von Semenzaio, einem Forschungsprojekt, das von der Generaldirektion für zeitgenössische Kreativität des italienischen Kulturministeriums im Rahmen des Programms des Italian Council (2023) unterstützt wird.
Pachamanca / A Cosmic Pot: Food-Performance der peruanischen Community aus den Anden mit Daniela Zambrano Almidón am Sonntag, ab 13 Uhr
Pachamanca bedeutet auf Quechuan „kosmischer Topf“ und ist zugleich Nahrung, Fest und kollektives Ritual. Unter der Erde und mit heißen Steinen wird eine Reihe von Zutaten aus den Anden zusammen gekocht. Die Künstlerin Daniela Zambrano Almidón arbeitet mit der tiefen und lebendigen Verbindung zum Land und zum Rhythmus der Erde in der Quechua-Kultur.
Im Frühjahr dieses Jahres pflanzte Daniela im Garten der Villa Romana einheimische Sorten von Mais, Süßkartoffeln und Chili an. Pachamanca / A Cosmic Pot wird einen Moment des gemeinsamen Essens und der Wiederherstellung der Erinnerung für andine Diasporagemeinschaften im Kontext der Vertreibung schaffen. Pachamanca / A Cosmic Pot basiert auf dem Quechuan-Konzept von Ayni, einer Praxis der Gegenseitigkeit und der gegenseitigen Verbindung, und feiert einen Moment der Verbindung mit dem Land für Migrantenfamilien.
Die Pachamanca ist ein Fest, das während der Erntezeit stattfindet. Mit Respekt vor dem Rhythmus des Landes und in der Hoffnung, die in Villa Romana gepflanzten Migrantenarten zu ernten, ist die andine Gemeinschaft eingeladen, an diesem Fest teilzunehmen, das unsere Wurzeln mit dem Land, unserer Geschichte und Identität verbindet. Dieses Fest des Kosmos, der Geschmäcker und der Erinnerungen ist auch eine Anerkennung der Migration von Lebensmitteln andiner Herkunft. Wir sind in der Lage, diese Lebensmittel in Dankbarkeit für das Wissen der Vorfahren zu teilen, das die indigenen Gemeinschaften in den Anden und in ihrer Diaspora - wie in Florenz - in der Praxis oder in der Erinnerung bewahren und das für den Schutz des Lebens unerlässlich ist. Dieser kosmische Topf ist das lebendige Rezept, das dieses landwirtschaftliche Jahr abschließt und einen Weg zum Rest der Erde öffnet.
Die bisherigen Dispatches können Sie hier lesen.
Träger der Villa Romana und des Villa Romana-Preises ist der Villa Romana e.V.
Hauptförderer ist die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Weitere Förderer sind die Deutsche Bank Stiftung, die BAO-Stiftung sowie projektbezogen zahlreiche Privatpersonen, Unternehmen und Stiftungen aus der ganzen Welt.
Villa Romana e.V. wird gefördert von:
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