VILLA ROMANA - HOME
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Veranstaltungen

16. und 24.03.2017

Filmprogramm

IN SITU : OUT OF PLACE
Maya Schweizer, Mario Rizzi, Eleni Kamma, Karolina Bregula,
Rebecca Ann Tess, Sophie Reinhold, Nico Joana Weber, Loretta Fahrenholz, Ei Arakawa & Henning Bohl, Clemens von Wedemeyer

Palazzina Reale, Piazza della Stazione 50, Florenz
18.30 Uhr


Jedes Jahr kommen zahlreiche internationale KünstlerInnen auf Einladung der Villa Romana nach Florenz. Sie leben als Villa Romana-PreisträgerIn zehn Monate in der Stadt, als eingeladene/r GastkünstlerIn für einige Monate oder anlässlich von Ausstellungsprojekten für einige Tage. Im Laufe der letzten Jahre haben viele von ihnen in der Stadt und in der Region gefilmt. Eine Auswahl dieser Filme zeigen wir am 16. und 24. März in der von Giovanni Michelucci erbauten, 1935 eröffneten Palazzina Reale in Kooperation mit der Fondazione Architetti Firenze / FAF.

Die sieben Filme des ersten Abends thematisieren unterschiedliche historische, politische und soziale Kontexte und Fragen künstlerischer Narration. Die Filme zeigen aber auch, dass Florenz und Umfeld IN SITU weiterhin ein Ort internationaler künstlerischer Produktion ist.
Im zweiten Teil des Programms OUT OF PLACE geht es um Reflektionen urbaner Realitäten und architektonischer Speicherräume weltweit. Dabei werden die neuen Filme von Loretta Fahrenholz und  Clemens von Wedemeyer erstmals in Italien präsentiert. Beide haben-  wie auch Nico Joanna Weber und Ei Arakawa - als Villa Romana-Preisträger in Florenz gelebt und gearbeitet.

 Frankreich, 2014, HDV Farbe/Ton, 13 Min

Maya Schweizer, La corsa del venditore, 2008, 7' 30''



Programm

IN SITU
16. März, 18.30 Uhr


Maya Schweizer
La corsa del venditore
2008, 7’ 30’’

In dem Film La Corsa del Venditore (Der fliegende Händler) berichtet eine Außenstehende über immigrierte Afrikaner in Florenz, ohne dass man diese zu Gesicht bekommt. La Corsa del Venditore ist als Monolog konzipiert und zeigt eine Italienerin, die mit dem Handy telefoniert und einen Vorfall beschreibt, dem sie unmittelbar beiwohnt. Die geschmackvoll gekleidete Frau geht vor dem Florentiner Hauptbahnhof entlang und wird allem Anschein nach von ihrer Tochter und Enkeltochter begleitet. Sie schildert ausführlich eine Szene, in deren Verlauf afrikanische Straßenhändler die Flucht ergriffen, nachdem sie von der Polizei drangsaliert und gezwungen worden waren, ihre Decken einzupacken, auf denen sie normalerweise ihre Ware auf dem Boden ausbreiten. Zur Überraschung der Frau ließen sich die Straßenhändler nur einen Häuserblock weiter erneut nieder.

Maya Schweizer lebte mit Clemens von Wedemeyer 2008 ein Jahr lang in der Villa Romana, 2016 präsentierte sie hier zusammen mit Cecilia Canziani das Filmprogramm Memories in Stone.


Mario Rizzi
The Misconception
2009, 9’

Der Kurzfilm The Misconception befasst sich mit den zahllosen Erniedrigungen und wiederholten Menschenrechtsverletzungen, denen weibliche Flüchtlinge allein deshalb ausgesetzt sind, weil sie Frauen sind. Der Film wurde in einer Schutzeinrichtung für die Opfer von Frauenhandel gedreht. Im Mittelpunkt steht eine Osteuropäerin, die zur Arbeitssuche nach Italien gekommen ist und in der Prostitution landete. Schonungslos spricht sie über sich selbst und ihre Sehnsucht nach einem normalen Leben, ein einfacher Wunsch, der unerfüllbar scheint. Die feinen Bewegungen ihrer wohlgeformten Hände bilden einen starken Kontrast zu ihrer spannungsgeladenen Stimme und ihren tiefgründigen Gedanken. Die Kamera wird somit zu einem Instrument, das Selbstbehauptung und ein Ausräumen von Vorurteilen und Missverständnissen ermöglicht. The Misconception lautet auch der Titel eines Buches von Franco La Cecla, in dem dieser konstatiert, "dass der Distanz, die uns voneinander trennt, eine tiefere gemeinsame Ebene zugrunde liegt, die uns aneinander bindet, die wir aber niemals verstehen werden."

Mario Rizzi zeigte 2013 die Ausstellung Das Warten in der Villa Romana mit seinem Film Al Intithar.


Eleni Kamma
Georgofili
2012, 27’

In dem Film Georgofili versammeln sich italienische Stimmen aus verschiedenen Zeiten. Das alte Genre des toskanischen Contrasto (Wortgefecht), bei dem die Performer-Dichter Emilio Meliano und Realdo Tonti ihr Debattiergeschick einsetzen, um Politik und Moral des heutigen Italiens zu diskutieren, trifft auf erzieherische Dialoge aus der Zeit des aufgeklärten Absolutismus, die von den Nachwuchsschauspielern Lavinia Parisi und Marco Rustioni rezitiert und kommentiert werden.

Eleni Kamma lebte in 2010 und in 2011 als internationale Gastkünstlerin in der Villa Romana, im Anschluss war 2012 ihre Ausstellung From Bank to Bank on a Gradual Slope zu sehen.


Karolina Bregula
Photofobia
2016, 28’

Der Film handelt von einer Büroangestellten, die über eine kleine Betonstadt herrscht. Sie lässt jede Person, die ihr Büro betritt, endlose Formulare ausfüllen und schickt sie danach auf das leerstehende Stockwerk eines brutalistischen Bürogebäudes. Obwohl dieses Gebäude im Dunkeln liegt und nichts auf einen Bürobetrieb schließen lässt, stellen die Betroffenen die sinnlosen Anordnungen nicht in Frage und warten stundenlang in den dunklen Korridoren. Die Angestellte hingegen stiehlt nach ihrer Arbeit die Lampen der Straßenlaternen und zerstört sie zu Hause, damit sie nicht mehr brauchbar sind. Indem sie allmählich das Licht zum Erlöschen bringt, versucht sie, den Menschen in ihrer Stadt Grenzen aufzuerlegen und sie davon zu überzeugen, dass die Dunkelheit genau ihren Bedürfnissen entspricht. "Dunkelheit bedeutet Freiheit", verkündet sie.

Karolina Bregula lebte und arbeitete in 2015 und 2016 als Preisträgerin des VIEWS-Preis für junge polnische Kunst in der Villa Romana.


Rebecca Ann Tess
Upper
2016, 7’
The Tallest
2014, 14’

Der Film The Tallest ist eine vor Ort aufgenommene Sammlung der heute weltweit höchsten Gebäude. Die Hochhäuser erscheinen als Bestandteile des globalen Kapitalismus, die auf visueller Ebene abstrakte Züge annehmen und an 3D-Renderings erinnern. Die simulierte Wiedergabe dieser Gebäude zirkuliert in den Medien zu Repräsentations- und Werbezwecken und wird zum eigentlichen Gegenstand, während die Räumlichkeit selbst als Mock-up fungiert. Eine Computerstimme beschreibt den Wettbewerb für den höchsten Turm an unterschiedlichen Orten wie Chicago, Dubai, Hongkong, Kuala Lumpur, Mekka, Nanjing, New York City, Seoul, Shanghai, Shenzhen, Songdo und Taipeh.

Der Film Upper zeigt die mittelalterlichen Türme der italienischen Stadt San Gimignano, bekannt als das Manhattan des Mittelalters. San Gimignano war im 13. und 14. Jahrhundert eine bedeutende Handelsstadt. Seine Wehrtürme dienten jedoch nicht zu Verteidigungszwecken, sondern boten den reichen toskanischen Familien die Möglichkeit, ihren Wohlstand und ihre Macht durch die Turmhöhe zur Schau zu stellen.
Die hochaufgelösten Aufnahmen der Türme entstanden vor einem strahlend blauen Himmel, wobei diese ihrem räumlichen Kontext enthoben sind. Nicht heimische Grillen bilden eine dichte, hochfrequente Klanglandschaft, die die Türme von San Gimignano als den Ausgangspunkt der aktuellen globalen Hochhaus-Architektur widerspiegelt. Upper bietet in diesem Zusammenhang eine historische Antwort auf den Film The Tallest.

Rebecca Ann Tess lebte 2011 als Villa Romana-Preisträgerin in Florenz.


Sophie Reinhold
cava no 150
2012, 31’

In den Apuanischen Alpen bei Carrara wurde schon der weiße Marmor für Michelangelos Skulpturen abgebaut. Die stark zergliederte und zerklüftete Landschaft dient ausschließlich der Marmorproduktion, mit der die Abtragung des Produktionsortes einhergeht. (…) Hier hat Sophie Reinhold ihr Atelier eingerichtet, das einer alten Theaterbühne gleicht. Auf der Wand prangt eine rechteckige Marmor-Bildfläche, die Reinhold in den Marmorbruch geschliffen hat. (…) Was auf den ersten Blick wie die letzte Überprüfung eines für die Öffentlichkeit bestimmten Werks erscheint, ist in Anbetracht des vorhersehbaren Werkschicksals als Abschiedsgeste zu verstehen. Der Film erörtert somit den Umgang mit dem wertvollen Rohstoff durch einen künstlerischen und historischen Ansatz und hinterfragt den Wert künstlerischer Produktion innerhalb einer rein materialistischen und sich selbst dekonstruierenden Struktur. (Nora Schultz)

Sophie Reinhold lebte 2012 als Villa Romana-Preisträgerin in Florenz.



OUT OF PLACE
24. März, 18.30 Uhr


Nico Joana Weber

Vendredi
2013, 4’55’’
La Promenade Architecturale
2013, 23’30’’

Die Filme La Promenade Architecturale und Vendredi vergleichen zwei Le-Corbusier-Villen unweit von Paris in ihrem heutigen Kontext. Beide Gebäude, die aus derselben Architekturperiode stammen, waren dem Verfall preisgegeben. Während aber die Villa Savoye zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde, ließ der aktuelle Besitzer die Villa Lipchitz durch eine sorgfältige Sanierung in ihren Originalzustand zurückführen.
Der Film La Promenade Architecturale wurde in der Atelierwohnung aufgenommen, die Le Corbusier 1925 für den Bildhauer Jacques Lipchitz erbaute, und fängt die intime Wohnatmosphäre ein, die die Villa von einer architektonischen Ikone unterscheidet. Das Gebäude erschließt sich langsam mittels eines umsichtigen Reinigungsprozesses, der vom Garten zur Dachterrasse und Rückseite führt und dabei Le Corbusiers Konzept der promenade architecturale filmisch umsetzt: das Erfassen von Architektur durch Bewegung im Raum.
Die Villa Savoye hingegen, die den Höhe- und Endpunkt von Le Corbusiers puristischer Schaffensphase markiert, gilt als ikonisches Bauwerk. Vendredi skizziert den Tagesablauf in dem Gebäude, das im Gegensatz zur Villa Lipchitz nicht bewohnt wird, aber dennoch einer täglichen Routine unterliegt: Vorübergehend wird die Villa durch Besucher belebt, die sich gleich Bühnendarstellern durch die leeren Räume bewegen.

Nico Joana Weber war 2016 Villa Romana-Preisträgerin.


Loretta Fahrenholz
Two A.M.
2016, 42’

Sanna geht das traditionelle Getue ihrer Tante Adelar auf die Nerven. Die Mitglieder ihrer Pflegefamilie gehören zu den Watchern. Ihre obsessive Präsenz und ihre Übergriffigkeiten stoßen Sanna ab. Sie verlässt ihre Familie und ihren Liebhaber Franz, um in die Stadt zu gehen. Aber dort zerbricht ihr Traum von einem schillernden urbanen Leben schnell. Alle Leute, denen sie begegnet, sind tief in ihre eigenen Dramen und vom Unglück überschatteten Affären verstrickt. Ihre Halbschwester Algin leidet darunter, dass sie als Sängerin keinen Erfolg mehr hat. Algins Mann Lisko ist depressiv und von Liebeskummer befallen. Das Objekt seiner Begierde, der arbeitslose Journalist Hedy, wird zunehmend resignierter und paranoider. Dabei hat Sanna genug eigene Probleme: Franz taucht überraschend mit seinen unberechenbaren Watcher-Schwestern in der Stadt auf. Sanna und ihre Freunde ziehen von einer Bar zur nächsten, unterwegs zu einer Party, auf der alle persönlichen Animositäten und sexuellen Spannungen aufeinanderprallen werden. (Jeff Nagy)

Loretta Fahrenholz war 2014 Villa Romana-Preisträgerin.


Ei Arakawa & Henning Bohl
Helena and Miwako
2013, 37’

Helena and Miwako ist ein Sci-Fi-Roadmovie von Ei Arakawa und Henning Bohl, in dem Arakawas Mutter Miwako, sein Bruder Tomoo und Bohls zehn Jahre alte Tochter Helen mitwirken. Während ihrer gemeinsamen dreiwöchigen Reise zu den historischen Spielplätzen Japans werden ihre persönlichen Familiengeschichten enthüllt, die Fragen zu Generationsübergängen und Elternschaft aufwerfen.
Die Spielplätze des japanischen Architekten Mitsuru Senda (geboren 1941 in Yokohama, Japan) sind omnipräsent: Als pragmatische Verhaltens- und Erziehungsmodelle basieren sie auf einem Design, das die Kinderspielen zugrunde liegende Idee der Zyklizität aufgreift. Die Reisen der Gruppe konzentrieren sich auf die heute berüchtigte Region Fukushima, Arakawas Heimatstadt und Ort des Erdbebens und Tsunamis im Jahr 2011.

Ei Arakawa war 2014 Villa Romana-Preisträger.


Clemens von Wedemeyer
Esiod 2016,
2016, 38’

2051: Nach vielen Jahren kehrt eine Frau (gespielt von der Tänzerin Stephanie Cumming) nach Wien zurück, um ihr Bankkonto aufzulösen. Auf diesem Konto sind jedoch nicht nur Gelddaten, sondern auch Erinnerungen digital gespeichert. Da das Computersystem der Bankkundin den Zugriff verweigert, muss sie sich einem „Memory-Check“ unterziehen und auf Bilder aus der Vergangenheit reagieren. Nachdem sie Zugang zu dem virtuellen Safe erhalten hat, nutzt sie die gespeicherten Daten, um eine Verbindung zu ihrer Vergangenheit herzustellen. Die visuell starke Überwachungsdystopie lässt sich zwischen Postapokalypse und virtueller Hightech-Welt ansiedeln.

Clemens von Wedemeyer war 2008 Villa Romana-Preisträger.



In Kooperation mit der Fondazione Architetti Firenze / FAF.



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