Veranstaltungen
22.09.2020
Begegnungen, Gespräche und Workshops
Der urbane Raum, der noch nicht existiert
Abschlussabend der Scuola Popolare
Die Reihe von Vorträgen und Diskussionen beginnt um 18 Uhr und findet im Garten der Villa Romana, unter Berücksichtigung der Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 statt.
Giacomo Zaganelli, Non A Tutti Piace L'erba, Florenz, 2008
Programm
18 Uhr
Dr. Federica Castelli
Fakultät für Politische Philosophie, Universität Roma Tre (Rom)
Was ist ein öffentlicher Raum, was macht ihn politisch? Die theoretisch-politischen Debatten der letzten Jahre haben die Stadt und ihre Räume nach den Kategorien Eigentum, Verwaltung, Konsum definiert. Tatsächlich sind es die Körper, die Erfahrungen, die Konfrontationen und Subjektivitäten, die den öffentlichen Raum durchlaufen, ihn definieren, ihn politisch, plural, kontingent, konflikthaft machen und mit Begehren aufladen.
18.30 Uhr
Isabella Mancini
Nosotras, Interkulturelle Vereinigung von Frauen (Florenz)
Die Wahrnehmung des öffentlichen Raumes ist grundlegend verschieden für unterschiedliche Gruppen. Was passiert, wenn bei der Bewertung des städtischen Raums andere Erfahrungswerte zugrunde gelegt werden? Dehnt sich die Stadt aus oder schrumpft sie? Für wen kann es beängstigend sein, allein die Straße entlang zu gehen? Wie können öffentliche und kollektive Räume so gestaltet werden, dass sie Orte sind, die in einer heterogenen Gesellschaft von Frauen, marginalisierten und diskriminierten Gruppen gleichberechtigt genutzt werden können?
19 Uhr
Giacomo Zaganelli
Künstler, Kurator und Aktivator kultureller Projekte (Berlin /Florenz)
Giacomo Zaganelli stellt seine Praxis an der Grenze zwischen Kunst und Raum vor und illustriert einige seiner emblematischsten Werke bezüglich einer Idee von Gemeinschaft, Geselligkeit und Austausch wie Non A Tutti Piace L'Erba, La Mappa dell'Abbandono, La Grande Griglia und andere.
19.30 Uhr
Rita Adamo
Le Seppie, NPO (Belmonte, Kalabrien)
In Belmonte Calabro erforscht seit einigen Jahren eine Gruppe junger ArchitektInnen und WissenschaftlerInnen die Grenze zwischen Praxis und Ausbildung. Durch Forschung, Planung, Design und Pädagogik streben Le Seppie eine Revolution an: die Verbesserung des kulturellen Gefüges der Gemeinschaft, eine Förderung sozialer Integration und der Entwicklung des Territoriums.
20 Uhr
Ornella De Zordo
Per un’altra città, Laboratorio Politico (Florenz)
Die Stadt von heute zwischen selbstverwalteten Realitäten und Solidaritätspraktiken - der Fall Florenz.
20.30 Uhr
Margherita Moscardini
Künstlerin (Donoratico)
Za'atari wurde 2012 im Norden Jordaniens als Lager zur Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge gegründet. Margherita Moscardini arbeitet dort seit einigen Jahren und hat die Umwandlung des Camps in eine richtige Stadt, die viertgrößte Jordaniens, miterlebt. Welches Recht auf Staatsbürgerschaft können die Einwohner beanspruchen? Können wir uns einen globalen Paradigmenwechsel vorstellen, ausgehend von einem Paradoxon von Raum, das die Flüchtlingslager repräsentieren?
Nach drei Monaten Quarantäne, Isolation und Introspektion sind wir mit anderen Erwartungen in den urbanen Raum zurückgekehrt. Die touristisch genutzten und historisierten Zentren der italienischen Städte erleben eine asynchrone, schwebende Zeit: Nachdem sie sich den Bedürfnissen des Massentourismus verschrieben hatten, suchen sie nun eine neue Verwendung, während die Bewohner und Bewohnerinnen die Option des Zusammenlebens wiederentdecken und der Wunsch nach Gemeinschaft – der nach dem Lockdown besonders dringlich ist – mit der Beanspruchung des öffentlichen Raums einhergeht. Die Einwohner sind zahlreich und vielfältig, was ihr Geschlecht, das Alter, die Herkunft, ihre Interessen, Bedürfnisse, Möglichkeiten und Wünsche angeht.
Für einige Wochen haben wir während der Isolation praktizierte Solidarität erlebt, zum Beispiel durch solidarische Einkäufe. Im Mai und Juni haben wieder Kinder auf der Piazza Santa Croce in Florenz gespielt, was wohl seit einem halben Jahrhundert nicht mehr vorgekommen ist. Bevor nun diese neue Rhetorik von der wiederentdeckten Stadt nur wenigen Privilegierten zugutekommt, bevor die Bürger und Einwohner zum Plan B einer ganz dem Tourismus verschriebenen Stadt werden, anstatt der wichtigste Ansprechpartner für die Stadtpolitik zu sein, stellen wir uns die Frage, wie wir den gemeinsamen Raum und das kulturelle Ökosystem heute und in Zukunft erleben und beleben wollen.
Ist der öffentliche Raum ein Recht, das allen zusteht? Aber wer redet darüber, und wo? Wie können ihn Kinder, junge und alte Menschen, Familien, Freunde und Gäste, Angehörige und Fremde erleben? Gibt es Räume, die von und für Frauen entworfen werden? Ist es möglich, die Stadt als Heterotopie mit vielen Schnittmengen zu konzipieren? Als Raum für neue Austauschverhältnisse und neue Solidarität? Kann die Stadt mehr als ein Archipel privater Räume für den Konsum sein? Ist es möglich, eine Stadt wie Florenz als Ort der aktiven Bevölkerung, des Anti-Rassismus und des solidarischen Zusammenlebens zu entwerfen?
Und außerdem: Was können wir von anderen Regierungsformen und selbstverwalteten Räumen lernen? Was lehren uns Flüchtlingslager, wenn wir die Städte der Zukunft entwerfen wollen? Und wenn wir den urbanen Raum handlungs- und beziehungsorientiert konzipieren würden? Als absolut Lokales – wie es die Philosophin Adriana Cavarero definiert –, welches sich in das dialogische und mobile Dazwischen derjenigen, die es bewohnen, ausdehnt.